Was ist Heilkunde – wann wird geheilt?
Was regelt das Heilpraktikergesetz?
Ist Anleitung zur Selbstheilung Ausübung der Heilkunde?


Heilpraktikergesetz

In § 1 ist bestimmt, daß derjenige, der die Heilkunde ausüben will, ohne als Arzt bestallt zu sein, hierzu der Erlaubnis bedarf. In der gleichen Bestimmung wird die Ausübung der Heilkunde (legal) definiert. Hiernach ist Ausübung der Heilkunde, "jede berufs- oder gewerbsmäßig vorgenommene Tätigkeit zur Feststellung, Heilung oder Linderung von Krankheiten, Leiden oder Körperschäden beim Menschen, auch wenn sie im Dienste von anderen ausgeübt wird."

Als "Krankheit" wurde vom BGH (Zivilsachen amtliche Sammlung 44, 208, BVerwG in PharmZ 1963, 99) "jede, also auch eine nur unerhebliche oder vorübergehende Störung der normalen Beschaffenheit oder der normalen Tätigkeit des Körpers, die geheilt, d.h. beseitigt oder gelindert werden kann und die nicht nur eine normale Schwankung der Leistungsfähigkeit, der jeder Körper ausgesetzt ist", beschrieben. Fönfühligkeit, Insektenstiche, Schlafstörungen sind nach anerkannter Rechtsprechung Krankheiten, so daß man davon ausgehen muß, daß nahezu jegliche Anomalie den Krankheitsbegriff ausfüllt.

Beim ersten Lesen von § 1 Heilpraktikergesetz fällt auf, daß der Begriff der "Ausübung der Heilkunde" und der "Erlaubnisvorbehalt" des Gesetzes redaktionell mißlungen sind und einer gründlichen Nachbesserung bedürfen. Einerseits ist der Begriff der "Ausübung der Heilkunde" viel zu eng, weil er den kosmetisch indizierten körperlichen Eingriff - der ja am Gesunden vorgenommen wird - nicht erfaßt, den vorsorglich vorgenommenen körperlichen Eingriff (Astronaut läßt sich vor dem Flug ins All den Blinddarm entfernen) ebenso wenig erfaßt, die gesamte Prävention außen vorläßt und ebenso wenig dem Heilschwindler sein Tun verbietet - der ja nur schwindeln und keine Heilkunde ausüben will. Die vorgenannten Tätigkeiten können nach dem Wortlaut des Heilpraktikergesetzes, da ein Verbot nicht ausgesprochen wird, von jedem Laien vorgenommen werden.

Diesem Zustand mußte entgegengewirkt werden. Um den Heilschwindler aus dem Erlaubniskreis auszuschließen, erfand der BGH die sog. "Eindruckstheorie", welche davon ausgeht, daß der Eindruck, den jemand mit seinem Tun hinterläßt, für die Anwendung des Heilpraktikergesetzes maßgeblich ist und nicht das Motiv des tatsächlich oder anscheinend Heilenden. Die heilkundlichen Tätigkeiten am Gesunden bezog man in den Kreis der erlaubnispflichtigen Tätigkeiten mit ein, indem man den Heilkundebegriff erweiterte, so daß er immer dann Anwendung finden kann, wenn "nach allgemeiner Auffassung besondere ärztliche Fachkenntnisse vorausgesetzt werden."

Bis jetzt fällt die Tätigkeit eines Synergetik Therapeuten noch nicht unter das HP-Gesetz, da nahezu jeder Mensch Krankheitssymptome hat und alleine deshalb nicht von Selbsterfahrung mittels Innenweltreisen ausgeschlossen werden kann, bzw. weil keine Krankheiten behandelt werden, sondern es sich immer um kranke und gesunde Menschen dreht. Heilschwindel kann auch nicht unterstellt werden, denn dazu bedarf es einer Heilungsabsicht, die man dem Therapeuten überträgt. Die Erstsitzung zeigt aber gerade die eigene Aktivität an Selbsterfahrungsprozessen. Es kommen auch keine ärztlichen Fachkenntnisse zum tragen.

Auf der anderen Seite ist das Heilpraktikergesetz jedoch viel zu weit gefaßt und aus diesem Grund korrekturbedürftig. Es erfaßt die Tätigkeiten von Physiotherapeuten, Masseuren und med. Bademeistern, Logopäden, Ergotherapeuten, Hebammen, Orthoptisten, Zytologieassistenten und sogar Medizinstudenten. Letztere diagnostizieren und therapieren - besonders in den klinischen Semestern - selbständig, und ohne Korrektur des Heilpraktikergesetzes würde die medizinische Wissenschaft durch die Blockade einer sinnvollen Medizinstudentenausbildung zum sicheren Stillstand kommen.

Nicht alle medizinischen Fachberufe besitzen ein Berufsgesetz oder bundesweit oder landesweit geltende Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen, wie beispielsweise das Gesetz über den Beruf der Podologin oder des Podologen (Podologengesetz - PodG) - vom 04.12.2001 oder die Ausbildungs- und Prüfungsverordnung für Podologinnen und Podologen (PodAPrV) vom 18.12.2001. Sporttherapeuten werden an Hochschulen ausgebildet, ebenso Motopäden. Für die Ausbildung und Prüfung gibt es zwar eine verbindliche Hochschulsatzung. Die Ausbildungsbestimmungen, -inhalte und die Prüfungen können jedoch bei der Ausbildung in Köln beispielsweise von der in München unterschiedlich sein, so daß von einer einheitlichen Regel kaum gesprochen werden kann. Dennoch kann man diesen Berufsträgern nicht ihre selbständige Tätigkeit im öffentlichen Gesundheitswesen der Bundesrepublik untersagen. Das Gegenteil tut man. Diplomsportlehrer werden im Rahmen der von Krankenkassen, Bundes- und Landesversicherungsanstalten zu Teamarbeit mit Ärzten, Physiotherapeuten und anderen Trägern medizinischer Fachberufe verpflichtet. Dabei arbeiten diese Berufsträger in den meisten Fällen selbständig als freie Mitarbeiter. Ob ein solcher freier Mitarbeiter die Vorteile der umsatzsteuerbefreiten Berufsausübung genießen kann, wird z.Z. vom Bundesfinanzhof überprüft, ohne daß auch nur einmal die Frage gestellt wurde, ob denn die selbständige Tätigkeit in einem nicht reglementierten therapierenden Beruf zulässig sei.

Die Frage kann auch vernünftigerweise nicht gestellt werden. Verfassungsmäßig garantierten Schutz genießt der Beruf. Der Beruf im Sinne von Artikel 12 GG ist jedoch nicht nur der reglementierte, auch nicht der tradierte Beruf, sondern "die vom Einzelnen frei gewählte, auch untypische (erlaubte) Tätigkeit, aus der sich dann wieder neue Berufsbilder ergeben mögen." (BVerfGE 7, 377). Die Berufsfreiheit gewährt einen umfassenden Schutz gegen staatliche Eingriffe.Nur aus dem Grunde der Berufsfreiheit wurde der Heilpraktiker zu einem geschützten Beruf, nachdem man ursprünglich vorhatte, mit dem Heilpraktikergesetz die Existenz des Heilpraktikers zu beenden. Weil man jedoch den Besitzstand für die bereits ausgebildeten Heilpraktiker gewährleistete, akzeptierte man mit dem Heilpraktikergesetz vom 17.02.1939 einen Beruf, den man nach Inkrafttreten des Grundgesetzes im Jahre 1949 nicht mehr vom Markt nehmen konnte.

Eine Einschränkung gilt jedoch für die ungehinderte Akzeptanz aller frei gewählten (erlaubten) Tätigkeiten als Beruf. Artikel 12 Abs. 1 Satz 2 bestimmt, daß "die Berufsausübung & durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes geregelt werden (kann)". Das Heilpraktikergesetz könnte ein solches berufsausübungsregelndes Gesetz sein. Aber Anerkennung kann es natürlich nur finden in der durch die Rechtsprechung vorgenommenen Nachbesserung in jeder der hier erläuterten Richtung. Im Rahmen einer Grundrechtseinschränkung ist das Heilpraktikergesetz nur akzeptabel in der korrigierten Fassung, daß es nur Anwendung finden kann, wenn ärztliches Fachwissen gefordert ist, daß es neben sich die Berufsgesetze und Ausbildungs- und Prüfungsverordnungen aller medizinischer Fachbegriffe als leges speciales dulden muß. So weit wurde durch die Rechtsprechung eine Nachbesserung des Heilpraktikergesetzes vollzogen. Für den Sporttherapeuten oder Osteopathen ist dies jedenfalls in vergleichbarer Art und Weise nicht geschehen. Den Sporttherapeuten, Motopäden oder akademisch ausgebildeten Sprachheilpädagogen wird man jedoch wohl kaum kriminalisieren, wenn er in selbständiger Tätigkeit seinen Beruf ausübt, weil diese Berufe von deutschen Universitäten oder Hochschulen ausgebildet worden sind und für die kurativen Aufgaben der gesetzlichen Krankenkassen, der Bundes- und Landesversicherungsanstalten ihre Dienste anbieten und ausführen. Hier wird wohl die Hochschulausbildung und der erfolgreiche Hochschul- oder Universitätsabschluß das Spezialgesetz zum Heilpraktikergesetz sein.
Nun bleiben jedoch noch immerhin einige Berufe, für die die bis jetzt entwickelten Sonderregeln nicht herhalten. Zu ihnen gehört beispielsweise der Osteopath, wie der Heileurythmist. Gäbe es nicht eine Entscheidung des höchsten deutschen Gerichts, so stände man beim Versuch der Lösung dieses Restproblems recht einsam da. Das Bundesverfassungsgericht gibt einen Lösungsansatz. Mit der Entscheidung vom 29.10.1999, AZ: 2 BvR 1264/90 hatte es zu entscheiden, ob ein "selbständig tätiger Heileurythmist von der Umsatzsteuerbefreiungsvorschrift des § 4 Nr. 14 UStG Gebrauch machen könne." Ausgangspunkt für die Entscheidung war die "selbständige Tätigkeit des Berufsträgers". Nicht alle werden wissen, wie der Heileurythmist ausgebildet ist und welcher Gruppe medizinischer Fachberufe er angehört. Der Heileurythmist wird an privaten Schulen ausgebildet; er besitzt keinen staatlich anerkannten Prüfungsabschluß. Ähnliches gilt für den in der Bundesrepublik ausgebildeten Osteopathen. Hier schon könnte man den vom Bundesverfassungsgericht erarbeiteten Grundsatz des Gleichbehandlungsgebots anwenden (2 BvR 1264/90). Dieses "verbietet eine allein nach der Existenz berufsrechtlicher Regelungen unterscheidende Umsatzbesteuerung". Dann verbietet sie erst recht eine Ungleichbehandlung berufsrechtlicher Existenzregelungen.

Für den Synergetik Therapeuten gilt ebenso die Berufsfreiheit. Er bietet eine Anleitung zur Selbstheilung und wurde speziell darin ausgebildet. Kein anderer Beruf kann diese Dienstleistung erbringen. Von daher darf er auch nicht mit anderen Berufen verwechselt werden oder der Verbraucher insoweit irretiert werden, dass er einen „Heilpraktiker“ vorfindet. Jede Unterordnung unter das HP-Gesetz legt dies nahe. Der Synergetik Therapeut arbeitet immer parallel zu den anderen Heilberufen und tangiert diese in keinem Falle. Er kann nicht heilen, daher ist die Beschreibung der Leistung stets als Selbstheilung zu kennzeichnen. Als Ergebnis einer intensiven selbstverantwortlichen Selbsterfahrung.

Das sieht nach einem Weg in die Kurierfreiheit in Deutschland aus. Ist es aber nicht. Die stets die soziale und gesundheitliche Situation überwachende Rechtsprechung hat hier Schranken gesetzt. Der Bundesgerichtshof verkündete mit Urteil vom 10.07.1996 (IV ZR 133/95): "Wer das Feld des sicheren Könnens verläßt, riskiert bei einem etwaig eintretenden Schaden den Vorwurf vorsätzlicher Körperverletzung (wenn er Kenntnis hatte, daß er außerhalb des Bereichs des sicheren Könnens stand) und den Vorwurf fahrlässiger Körperverletzung (wenn er sich hierüber keine Gedanken gemacht hatte oder zur falschen Einschätzung gekommen war)." Dies hat ebenso zivilrechtliche Folgen. Die hieraus resultierende Haftung erstreckt sich auf alle schuldhaft begründeten Schäden einschließlich einer angemessenen Entschädigung für Schmerzensgeld. Für jeden Beruf gilt dieses Gebot der Betätigung innerhalb der Grenzen des "sicheren Könnens", für den Arzt, für den Masseur und med. Bademeister. Ähnliches drückt das Bundesverwaltungsgericht (amtliche Sammlung 23, 148 ff) sinngemäß aus: Die Rechtsprechung ist zu dem Schluß gekommen, daß derjenige, der eine heilkundliche Handlung vornimmt, sicher gewährleisten muß, daß aus dieser Handlung kein Schaden für den ihn aufsuchenden Dienstleistungsempfänger entstehen kann. Nur die sichere Gewißheit der Schadenverhütung rechtfertigt die Abgabe einer heilkundlichen Maßnahme. Die Rechtsprechung hat das Erfordernis aufgestellt, daß mit dem selbständigen Handeln auch keine Gefahr für die Allgemeinheit verbunden sein darf (indem es beispielsweise allgemein zu unrichtigen Schlüssen über die heilkundliche Berechtigung eines Berufsstandes kommt).

Auch aus dieser Überlegung heraus, muß eine Unterordnung der beruflichen Tätigkeit unter das HP-Gesetz unterbleiben und die Bezeichnung „Heilpraktiker“ oder Heilpraktiker als Psychotherapeut muß unterbleiben. Die Arbeit eines Synergetik Therapeuten erfordert eine hohe Qualität als Innenweltbegleiter und muß als solche auch kenntlich gemacht sein.
Was ist aber nun mit dem Heilpraktikergesetz? Man kann davon ausgehen, daß es in der uns vorliegenden Fassung schon vor Jahren von der Rechtsprechung ad acta gelegt wurde. Bockelmann (in NJW 1966 S. 1145) schrieb schon vor ca. 35 Jahren einen Artikel "Das Ende des Heilpraktikergesetzes".

Das Bundesverwaltungsgericht entschied schon 1970 (NJW 1970, 1987 ff.): "Heilkundliche Verrichtungen, die keine nennenswerten Gesundheitsgefahren zur Folge haben können, fallen nicht unter die Erlaubnispflicht des Heilpraktikergesetzes, auch wenn sie zu ordnungsgemäßer Vornahme ärztliche Fachkenntnisse erfordern." Das besagt insgesamt, daß das Heilpraktikergesetz keine verfassungsmäßig zulässige Sperre zur Ausübung der Heilkunde darstellen kann, wenn keine nennenswerte Gesundheitsgefahr des Patienten (oder der Allgemeinheit) droht und im Rahmen des sicheren Könnens die Aufnahme und Ausführung der Heilkunde ausgeübt wird.

Dr. jur. E. Boxberg · Justitiar des VPT
Müllerstraße 27 · 80469 München