REGIERUNGSPRÄSIDIUM TÜBINGEN


Staatsanwaltschaft Ravensburg
z. H. Herrn StA Bogenrieder ............................................ 29.12.2004

nachrichtlich
Sozialministerium Bad.-Württ.
z. H. Frau Göller
Stuttgart

Strafsache W. R.xxxx , xxxx , 36 Js 6499/00
Verstoß gegen § 5 HeilpraktikerG

hier: freisprechendes Urteil des AG Tettnang vom 28.10.2004, AZ 6 Cs 36 Js 6499/00
AK 304/2002

Herr Rxxxx selbst unterrichtete uns über den Freispruch vor dem AG Tettnang, so dass wir aufgrund dessen dort eine Urteilskopie erbaten, welche uns vorliegt.
Wir bemängeln insbesondere, dass das Gericht den Sachverhalt nur höchst unzulänglich aufgeklärt hat. Vor allem war es verfehlt, dass es sich um wesentlichen nur auf Zeugenaussagen zweier Patientinnen stützte, die zur Brisanz der Synergetiktherapie unter Aspekten der Gesundheitsgefährdung anderer mangels fachspezifischem Wissen nun wirklich nichts Entscheidendes beitragen konnten. Stattdessen war es unverzichtbar, sachverständige Zeugen der Gesundheitsverwaltung beizuziehen; dies unterblieb jedoch. Eine Sachverhaltsaufklärung über die Gefährlichkeit der Werbung und Anpreisung, wie sie Herr Rxxx vornimmt oder sich ihrer bedient, unterblieb. Ebenso unterblieb eine ausreichende Sachverhaltsaufklärung insoweit, als es darum geht, ob Herr Rxxxx als Vertreter der Synergetiktherapie Heilungs- oder Linderungserwartungen auslöst, also Heilkunde betreibt.

Auch die Abstützung auf Rechtsprechung der Verwaltungsgerichtsbarkeit im vorläufigen Rechtsschutz vermag rechtlich überhaupt nicht zu überzeugen, weil derartige Gerichtsbeschlüsse sich lediglich mit der Anordnung von Sofortvollzug, also der Eilbedürftigkeit eines Verbots, nicht aber der Substanz der Notwendigkeit eines Verbots überhaupt befassen, letztere Entscheidung vielmehr bis zur Verhandlung der Hauptsache aufschieben. Beide vom Amtsgericht angeführten Verwaltungsgerichte sagen nicht mehr aus, als dass die Gefährlichkeit der Synergetiktherapie in der Abwägung mit der verfassungsrechtlich geschützten Berufsfreiheit kein solches Gewicht hat, um bereits im Eilverfahren (Sofortvollzug) Vollstreckungsvoraussetzungen zu schaffen. In der Sache wird die Bedenklichkeit der Synergetiktherapie aber durchaus aufgezeigt, wenn auch bis zur Entscheidung der Hauptsache nicht abschließend geprüft.

Es wäre nun wirklich Aufgabe eines Strafprozesses gewesen, dieser Gefährlichkeit durch Sachverhaltsaufklärung auf den Grund zu gehen und sich nicht nur auf Beschlüsse zum vorläufigen Rechtsschutz abzustützen, die ihrerseits die Klärung der Kernfrage bewusst und absichtlich offenlassen. Diese Sachverhaltsaufklärung wurde ohne Einvernahme der Gesundheitsverwaltung noch nicht einmal ansatzweise vorgenommen. Das Gericht hat sich vielmehr höchst einseitig auf Zeuginnen gestützt, die aber zur Gefährlichkeit selbst überhaupt nichts aussagen konnten, weil ihnen schlicht die Urteilsfähigkeit für eine medizinisch anspruchsvollere Fragestellung fehlt. Es kommt hinzu, dass auch die Interessenneutralität dieser Zeuginnen sehr in Frage steht und eine Wertung der Glaubwürdigkeit der Zeuginnen durch das Gericht nirgends auch nur erkennbar wird.

Unzutreffend war außerdem die Annahme des Amtsgerichts, die Synergetiktherapie aus dem Anwendungsbereich des Heilpraktikergesetzes überhaupt ausgrenzen zu können. Das Amtsgericht hat offensichtlich nicht verstanden, dass dieses Gesetz die einzige Grundlage für eine rechtliche Beurteilung darstellt, ob eine Heilbehandlung bzw. ein Heilungsversprechen oder Heilungsangebot (Ausübung der Heilkunde) legal oder nicht legal ist. Die Verwaltung hatte genügend Argumente dafür vorgetragen, dass die Synergetiktherapie Heilungserwartungen auslöst. Dies gänzlich zu negieren, indem das Heilpraktikergesetz als Maßstab des Zulässigen für die Synergetiktherapie ganz grundsätzlich ausgeschlossen wird, offenbart grundlegende Fehler der Rechtsanwendung durch das Amtsgericht.

Wie wir handschriftlichen Zusätzen auf der Urteilskopie entnehmen können, hat die Staatsanwaltschaft bereits Berufung eingelegt bzw. Zulassung der Berufung beantragt. Wir begrüßen dies außerordentlich und bieten unsere Hilfe für die Berufsbegründung und eine evtl. erweiterte Beweisaufnahme für die Berufungsverhandlung an. Diese Angelegenheit hat nicht nur für uns besondere Bedeutung; dieses Verfahren wird vielmehr auch vom bad.-württ. Sozialministerium mit sehr viel Aufmerksamkeit verfolgt. Sollten Sie eine Besprechung wünschen, sind wir gern dazu bereit, bäten allerdings wegen zahlreicher anderer auswärtiger Termine um Abstimmung zwei bis drei Wochen im voraus.

(Hervorhebungen durch Bernd Joschko - Offensichtlich stellt das Regierungspräsidium ihre Vorurteile über die richterliche Sichtweise der Rechtsprechung und gibt direkt Anweisungen an den Staatsanwalt und an den Richter des Landgerichts.)