Landesanwaltschaft Bayern informiert:

pdf - Datei vom 11. Nov. 2005


DIE LANDESANWALTSCHAFT INFORMIERT
Synergetik-Therapie nur mit Risikoaufklärung


„Synergetik-Profiling“ soll die Ursachen von Depressionen, Phobien, Traumata, aber auch von körperlichen Beschwerden aufdecken können. Mit Tiefenentspannung wollen Therapeuten sodann bei der Selbstheilung helfen. Die Gesundheitsbehörde sah darin die Ausübung von Heilkunde, die klagende Therapeutin hielt es für „Hilfe zur Lebensbewältigung“, wofür keine Approbation als Ärztin oder eine Heilpraktikererlaubnis nötig wäre.
Mitgeteilt von Landesanwältin Sigrid Kaiser

Eine Gymnasiallehrerin hatte sich an einem privaten Institut in zwei Kursen von jeweils 28 Tagen zur „Synergetik-Therapeutin“ ausbilden lassen. In ihrer Praxis für „Health Management, Magnetfeld-Therapie und Synergetik-Profiling“ bietet sie nun Behandlungsblöcke von vier bis vierzig „Sessions“ zu jeweils 130 Euro an. Synergetik beruhe auf der These, dass Krankheiten von innen her, als Bearbeitung elektromagnetischer Felder und Frequenzen des Gehirns geheilt werden könnten.

Der Klient würde mit seinen inneren Bildern, Symbolen und Träumen konfrontiert und zu einer Bewusstseinsänderung angeregt. Bei der Behandlung entstünden neue Nervenverknüpfungen, die sich über die Psyche auf das Immunsystem und weitere Regelkreise des Körpers, damit letztlich auf das gesamte körperliche Befinden auswirkten. Auf der Internet-Homepage des Ausbildungsinstituts werden als selbst heilbare Erkrankungen unter anderem, Alkoholabhängigkeit, Allergien, Asthma, Brustkrebs, Depressionen, Diabetes, Epilepsie, Hautkrebs, Hepatitis, Herzbeschwerden, Leukämie, Multiple Sklerose, Nierenversagen und Rückenmarksentzündungen genannt.

Allerdings sei die Synergetik-Therapie keine medizinische Behandlung, sondern „Wellness“. Der Therapeut helfe dem Klienten, indem er ihn – etwa unter entspannender Musik – in die eigene Seele hinabsteigen und innere Türen öffnen lasse („Innenweltreise“).

Die Gesundheitsbehörde untersagte der Therapeutin ihre Tätigkeit, solange sie keine Approbation als Ärztin oder Heilpraktikererlaubnis hat. Bei dem unter Einsatz von Hypnose durchgeführten psychotherapeutischen Verfahren bestehe die Gefahr, dass der Klient eine notwendige medizinische Behandlung versäume oder zu lange damit warte und so seine Gesundheit gefährde.

Das Verwaltungsgericht München ließ im vorläufigen Rechtsschutzverfahren die Tätigkeit zwar zunächst weiter zu, machte der Therapeutin aber zur Auflage, die Klienten gegen Unterschrift aufzuklären, „dass nicht auszuschließen ist, dass die beim Einsatz der Synergetik-Therapie angewandten Maßnahmen im Einzelfall zu schwerwiegenden gesundheitlichen Störungen führen können“.

Entscheidung des Gerichts

Die dagegen von der Therapeutin eingelegte Beschwerde wies der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zurück. Seine folgenden Ausführungen betreffen zwar ebenfalls nur das vorläufige Rechtsschutzverfahren, beinhalten aber schon maßgebliche Grundsatzfeststellen. Synergetik-Therapie bedeutet den Versuch, im Sinne von § 1 Abs. 2 des Heilpraktikergesetztes Krankheiten zu heilen oder zu lindern, sodass die Tätigkeit ohne Approbation oder Heilpraktikererlaubnis von der Gesundheitsbehörde voraussichtlich zu Recht verboten wurde (womit in der späteren Hauptsacheentscheidung die Untersagung doch zu bestätigen wäre).

Entscheidend ist, ob objektiv betrachtet der Eindruck erweckt wird, die Therapie bezwecke die Heilung oder Linderung von Krankheiten oder helfe maßgeblich dabei mit. Zwar ist nicht jedes Aktivieren der Selbstheilungskräfte schon Heilkunde. Insbesondere wenn dahingehende Bemühungen nur spirituell wirken und religiösen Riten näher stehen als der Medizin (Wunderheiler“), ist das nicht der Fall. Das Versetzen in den Zustand der Tiefenentspannung und die anschließende Führung auf der so genannten „Innenweltreise“ entfernt sich aber nicht grundlegend von psychiatrischen und psychotherapeutischen Behandlungsmethoden.

Im Bereich der Homöopathie wird von Ärzten und Heilpraktikern in vergleichbarer Weise mit der Anregung der Selbstheilungskräfte des Körpers gearbeitet. Für den Klienten steht nicht die eher schwer vorstellbare Wirkungsweise des Ganzen im Vordergrund, sondern die Hoffnung auf Heilung. Sie wird geweckt, indem schwere Erkrankungen als behandlungsfähig genannt werden. Es lässt sich nicht hinreichend sicher ausschließen, dass die Synergetik-Therapie gesundheitsschädigend wirkt und Klienten von einem notwendigen Arztbesuch abhält. Jedenfalls sind im Einzelfall gefährliche tranceartige oder hypnotische Zustände nicht auszuschließen. Die Therapeutin verfügt mangels Ausbildung nicht über die heilberuflichen Techniken, mit denen diesen Gefahren begegnet werden könnte.

Die vom Verwaltungsgericht verfügte schriftliche Aufklärung der Klienten ist daher rechtmäßig. Ohne eine solche Auflage müsste das von der Gesundheitsbehörde verfügte Tätigkeitsverbot sofort durchgesetzt werden.