Brauchen gesundheitsfördernde Berufe eine staatliche Anerkennung ? Und dürfen sie heilen?

Hunderte von verschiedenen ganzheitlichen Methoden wurden in den letzten 30 Jahren entwickelt oder auch nur wiedergeboren - jedenfalls hat ein großes Experiment über einige Jahrzente stattgefunden, aus dem sich heute sehr konkrete Methoden und Berufe entwickeln. Brauchen diese Methoden noch eine staatliche Anerkennung oder reicht es auch, daß ein "Markt" dafür existiert? Was geschieht mit dem Anteil der gesundheitsfördernden Aspekte vieler dieser ganzheitlichen Ansätze? Werden sie übernommen und in das bestehende Gesundheitssystem integriert? Oder gehen sie in der Konsumhaltung der Verbraucher möglicherweise verloren? Erinnern wir uns:

In den letzten 25 Jahren des letzten Jahrhunderts entwickelte sich ein unüberschaubarer Psychomarkt. Er bereitete den etablierten Kirchen und staatlichen Institutionen und weiten Bereiche der Öffentlichkeit regelrecht Angst und Unbehagen. Daher wurde vom deutschen Bundestag im Sommer 1996 beschlossen eine Enpuete-Kommission "Sogenannte Sekten und Psychogruppen" einzuberufen. Es gab dazu einige Petitionen mit bis zu 40.000 Unterschrifte. Zu diesem Klima hatten auch Extremdarstellungen der Boulevarepresse beigetragen.

"Die Enquete-Kommission sog. Sekten- und Psychogruppen hat in ihrem 1998 veröffentlichten Endbericht festgestellt, dass in den letzten 20 Jahren in Deutschland ein vollkommen unübersichtlicher „Psychomarkt" entstanden sei, auf dem die unterschiedlichsten Dienstleistungen angeboten würden: Angebote für Heilung bei psychischen oder psychosomatischen Störungen, Bewältigung von Lebenskrisen, Veränderung der Lebenssituation, Verbesserung der geistig-seelischen Fähigkeiten, Steigerung der Durchsetzungsfähigkeit oder Konfliktbewältigung und Selbstbehauptung, Persönlichkeitstrainings der betrieblichen Personalentwicklungsarbeit.
Die Enquete-Kommission hat die Dienstleistungen unter dem Begriff „Lebensbewältigungshilfe" zusammengefasst. Weiter hat sie festgestellt, dass auf diesem Markt ca. 1.000 Methoden, Techniken und Verfahren angewandt werden. Dies sei für die Kunden völlig intransparent, allerdings seinen nur ein Teil der Gruppen konfliktträchtig und daß keine verallgemeinerbaren Aussagen über das Gesamtspektrum neuer religiöser und ideologischer Gemeinschaften und Psychogruppen getroffen werden können. Als Konsequenz dieses Sachverhalts hat sich die Enquete-Kommission entschlossen, den pauschalen und damit auch stigmatisierenden Begriff der "Sekte" nicht mehr zu verwenden. "Als wesentliches Ergebnis der Arbeit der Enquete-Kommission ist ... festzuhalten, daß der Einzelne kein "passives Opfer" ist, sondern aktiv den Verlauf seiner Mitgliedschaft gestaltet. Dieser Aspekt ist bislang in der öffentlichen Diskussion zu wenig berücksichtigt worden. Die Kommission empfiehlt die Einführung einer gesetzlichen Regelung für die staatliche Förderung privater Beratungs- und Informationsstellen. Diese "Infostellen" werden nun doch nicht eingerichtet, denn zu disem Punkt gab es massiven Protest. Das Gesetz wurde nicht verabschiedet.

Der Bayerische Ministerpräsident hat nun am 22.Sept. 2003 den Entwurf eine Psychovertragsgesetzes in den Bundesrat eingebracht, indem nicht die Lebenshilfe, sondern der Inhalt der Verträge als Verbraucherschutzgesetz geregelt wird. Aber auch diese Gesetzesvorlage wurde im vergangenen Jahr stillschweigend aufgelöst.
Sicher hat nicht nur das Arbeitsplatzargument eine Rolle gespielt, denn "die Angst vorm schwarzen Mann" dürfte vorbei sein. Mittlerweile wirbt sogar schon der ZDF Infokanal mit "Alternativem heilen", da die gesundheitsfördernde Wirkung vieler Methoden willkommen ist. Beispielsweise gab es vor wenigen Tagen in diesem Infikanal einen positiven Bericht über "Heilen mit Edelsteinen" oder Heilen mit der Klangschalentherapie, die gut für die Entspannung sei. Allerdings - und jetzt kommen ich zu meinem Anliegen - "heilte" ein Heilpraktiker mit den Edelsteinen und die Klangschalen führte eine Ärztin vor (als ob Ärzte dafür Zeit hätten).

Ist es wirklich wichtig, das man beispielsweise für Heilen mit Edelsteinen einen HP-Schein braucht? Oder ein Studium, um Klangschalen zu bedienen? Nein, sicher nicht. Aber warum gibt es dann keinen Klangschalentherapeut oder ein Edelsteinheiler? Darf man denn eigentlich einfach so mit Edelsteinen heilen? Nach dem neuen BverfG-Beschluss vom 4. März 2004 ist ja "geistiges Heilen" freigegeben worden - aber was ist Geistiges Heilen? Wo sind die Grenzen? Oder geht es nur ums Händeauflegen so wie viele meinen?

 

Darauf kann ich aus der Etablierung des Berufes des Synergetik Therapeuten einige klare Hinweise geben:

Beide BverfG Urteile von 2004 zeigen sehr klar auf: Jeder darf Heilen, wenn er

1) die Verbraucher darüber ausreichend informiert (Infoblatt),
2) keine Gesundheitsgefahr von der Methode ausgeht,
3) die Methode keine medizinische Fachkenntnisse voraussetzt.

Je weiter sich die Methode vom ärztlichen Heilen entfernt, desto geringer wird die Gefahr, daß medizinsche Hilfe zusätzlich unterbleibt und da gilt es die Interessen gegeneinander abzuwägen. Der Therapeut oder Heiler hat ein Recht auf seine Berufsausübung gemääß § 12 GG Berufsausübungsfreiheit. Diese darf nur begründet eingeschränkt werden und das HP-Gesetz ist für die Überprüfung von ganzheitlichen Methoden ungeeignet. Es gilt immer die Pflicht zu einer Interessenabwägung.

Folgende Vorausetzungen sind daher sehr vorteilhaft und wichtig:

Eine Methode wird zu einem Beruf, wenn ein Ausbildungsinstitut Lehrpläne erstellt, Prüfungsordnungen entwickelt und für Verbraucher-Transparenz sorgt. Diese Massnahmen können so konkret durchgeführt werden, damit der zuständige Regierungspräsident des jeweiligen Bundeslandes eine „Bescheinigung gemäß § 4 Nr.21 des Umsatzsteuergesetzes zur Vorlage beim Finanzamt“ ausstellen kann. Darin wird dem Ausbildungsinstitut eine "Massnahme bescheinigt, die ordentlich auf einen Beruf vorbereitet". Das Ausbildungsinstitut braucht dann für die Berufsausbildungsmassnahmen keine MWSt zu zahlen bzw. bekommt sie zurückerstattet. Weiterhin ist es sinnvoll, dass die Absolventen der Berufsausbildung einen Berufsverband gründen, der ihre beruflichen Interessen vertritt.

All diese Vorausetzungen machen aus einer Methode einen Beruf, sodaß sich ein Anspruch nach §12 GG sehr gut darstellen und juristisch begründen läßt. Das Ausbildungsinstitut erzeugt dringend gewünschte Arbeitsplätze, der Verbraucher bekommt eine weitere Möglichkeit zur ganzheitlichen Heilung, die Qualität der Ausbildung ist gewährleitet, die demokratischen Spielregeln werden gewahrt; wenn ein Berufsverband die Interessen vertritt und Etikrichtlinien sollten bei etwaigen Missverständnissen der Berufsverbands-Kommission Orientierungen zur Klärung an die Hand geben. Der Verbraucher weiß, auf was er sich einläßt - eine wichtige Voraussetzung für Gerichtsentscheidungen, die immer mehr auf den gewünschten mündigen Bürger abstimmen.

Dann wird es in Zukunft einen Klangschalentherapeuten geben (ohne HP-Schein), oder einen Edelsteinheiler, oder ein Rohlfer....die MWSt wird eingespart und dadurch die Berufsausbildung günstiger und es werden mehr Arbeitsplätze geschaffen. Dies könnte mittelfristig speziell für gesundheitsfördernde Berufe einen Boom bedeuten und innovative Kräfte im Gesundheitswesen freisetzen und zu einer - dringend gewünschten - enormen Kostenreduzierung beitragen.

Die gesundheitsfördernden Berufe wären quasi staatlich anerkannt und die Ausbildungsinstitute hätten inhaltlich weiterhin die Qualitätsverantwortung. Dies ist sehr wichtig, da es sich in den allermeisten Fällen um ein neues ganzheitliches Weltbild handelt, und mit dem Wirkungsansatz des mechanistischen Weltbildes nicht zu erfassen ist. So würden nur die Wirkungen zum tragen kommen, die der Verbraucher möchte. Hier würde weiterhin ein freier Wettbewerb für Angebot und Nachfrage sorgen. Ärzte könnten sich auf ihr "Kerngeschäft" konzentrieren, denn für die "sprechende mitfühlende Medizin" ist eh kein Geld und keine Zeit und oftmals auch keine Kompetenz da.

Inwieweit Krankenkassen Kostenerstattungen übernehmen würden, wäre eine Frage der Zukunft inwieweit mehr Wettbewerb erlaubt würde - aber dies ist eine politische Frage.