Der gesellschaftliche Wandel vollzieht sich still, leise und unaufhaltbar konsequent

Auch das Heilmittelwerbegesetz wird sich verändern müssen, weil es zu einem Informationsverbreitungsverbot umfunktioniert wird. Hier lesen Sie über den Hintergrund der Veränderung zum Heilpraktikergesetz wie es in keiner Zeitung steht - Es dauerte tatsächlich 8 Jahre

Die gesellschaftliche Sichtweise alternativer Heilweisen hat sich durch den Boom der 90iger Jahre verändert: Der Verbraucher geht neue Wege und das etablierte Gesundheitswesen wird untragbar teuer. Die Politiker stöhnen und bekommen die Mehrausgaben auch durch sog. Gesundheitsreformen nicht mehr in den Griff.

Beispielsweise gab es früher Klangschalentherapie nur auf den Esoterikmessen - belächelt - zu finden, jetzt bringt der infoKanal des ZDF diese Methode als Heilmethode zur Entspannung in das Bewusstsein des Verbrauchers - allerdings von einer Ärztin ausgeführt. Die Realität ist anders: Unter den Klangschalentherapeuten dürfen sich nur eine Handvoll Ärzte befinden, denn diese haben eh keine Zeit. Der durchschnittliche "sprechende Anteil" beim Besuch eines Arztes liegt nach verschiedenen Angaben zwischen 4 und 7 Minuten pro Patientin und da redet der Arzt. Wie soll da Heilung durch Einsicht, Entspannung, Erkenntnis oder sogar Verhaltensveränderung geschehen? Es existiert noch nicht einmal Zeit, den Diagnoseschock zu begleiten oder ihn sogar aufzufangen.

Das Heilerurteil vom BVerfG vom 4. März 2004 hatte seine Vorgeschichte. Zwei Geistheiler, die des Verstoßes gegen das Heilpraktikergesetz angeklagt waren, sind von deutschen Gerichten freigesprochen worden. Am 25. Juni 97 hob die 12. Strafkammer des Landgerichts Verden ein Urteil des Amtsgerichts Diepholz auf. Der Geistheiler Johan van Oosteroom sollte 7200 DM Geldstrafe bezahlen, allerdings gehörte Johan dem neugegründeten "Dachverband Geistiges Heilen" an, dessen Rechtberatung von Dr.jur.Bernhard Firgau geleitet wird. Er hatte ein Rechtshandbuch für Heiler herausgegeben und war früher selbst Richter.

Während der Verhandlung von Johan van Oosteroom betone sein Verteitiger Uwe Albrecht, daß sein Mandant "seine Tätigkeit als religiös ansieht. Er hielt nur Fürbitte und nahm eine Mittlerrolle zwischen dem Patienten und der geistigen Welt ein". Nach kurzer Beratung sprach die Strafkammer den gebürtigen Niederländer und früheren Präsidenten des größten holländischen Heilerverbandes NFPN frei. Richter Armbrecht würdigte, daß der Angeklagte jedem Patienten ein Merkblatt aushändigte, in dem ausdrücklich darauf hingewiesen wird, daß er kein Arzt sei und der Patient sich ärztlicher Hilfe bedienen solle. Der Staatsanwalt verzichtete in Berufung zu gehen, daher wurde das Urteil sofort rechtskräftig und verbreitete sich schnell.

Direkte Wirkung hatte es auch auf die Strafverfolgung des bekannten grischichen Heilers Christos Drossinakis aus Frankfurt, denn nur 2 Tage später, am 27. Juni 1997 sprach das Schöffengericht Frankfurt, nach dreitägiger Verhandlung mit 45 Zeugenvernehmungen, den Geistheiler frei. Auch er war angeklagt, gegen das Heilpraktikergesetz verstoßen zu haben. Die Staatsanwaltschaft wollte hier 54.000 DM. Es stelle sich heraus, daß die Klienten des Heilers überwiegend von der Schulmedizin mehr oder weniger aufgegeben waren. Der Weg zu diesem Heiler war für viele der letzte Versuch mit wenig Hoffnung, das Ergebnis aber war zumeist verblüffend. Die Verteitigung stellte Beweisanträge und wollte renommierte Sachverständige haben: Dr. Harald Wiesendanger oder Dr. med Andreas Wacker. Dr. Wiesendanger war Vorsitzender des Dachverbandes Geistigen Heilens.

Der Freispruch wurde wie folgt begründet: Handauflegen ist kein strafbares Vergehen nach dem Heilpraktikergesetz - weder eine konkrete noch eine abstrakte Gefahr für Hilfesuchende. Auch hält das Handauflegen nicht vom Gang zum Schulmediziner ab, denn viele Hilfesuchende haben einen langen Leidensweg hinter sich oder wurden sogar von Ärzten zum Heiler geschickt. Nach Auffassung der Gerichts muß ein Gesetz auch einen Sinn haben.

Der Sinn des Heilpraktikergesetzes besteht u.a. darin, den Hilfesuchenden vor unsachgemäßer Behandlung und Abhalten vom Arztbesuch zu schützen.

Der Heiler hatte erklärt, daß er die Selbstheilungskräfte der hilfesuchenden Personen mittels religiöser Riten und Glaubensausformungen unter Anrufung Gottes durch Handauflegen zu stärken versucht. Zudem erklärte er jedem Hilfesuchenden, daß Heilung allein durch die Selbstheilungskräfte bewirkt werden kann und daher konkrete Krankheitsbilder für den Heiler ohne Bedeutung sind. Ausserdem gab er ein Infoblatt an alle Kranken, in dem ausdrücklich ein Heilungsversprechen verneint wird und der Hinweis erfolgt, sich weiterhin ärztlich behandeln zu lassen.

Unglaublich: Die Staatsanwaltschaft konnte nicht akzeptieren und ging in Revision - wer will schon gerne verlieren, wenn er sich auf einen Standpunkt festgelegt hat. Denn schon vorher hatte die Staatsanwaltschaft einen größtmöglichen Aufwand gegen den Heiler betrieben:

Am 23.März 1995 gegen 10.20 betreten 2 als "Paar" getarnte Polizeibeamte in Zivil die Räume von Drossinakis in Frankfurt-Höchst und bitten ihn, bei ihrem bisher "unerfüllt gebliebenen Kinderwunsch" unterstüzend tätig zu werden. Im Treppenaufgang warten unter Leitung einer Staatsanwältin, 4 weitere Ermittlungsbeamte, 2 Ärzte des Stadtgesundheitsamtes, sowie 3 Fahnder.

Das Landgericht verurteilte den Heiler am 4. Juli 2001, das Oberlandgericht Frankfurt bestätigte am 27.September 2002 und das BVerfG hob mit einstimmigem Urteil vom 3. Juni 2004 alle Urteile wieder auf und bestätigte das Recht auf freie Berufsausübung Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes. Das Land Hessen muß für alle Kosten aufkommen.

Das zeigt doch sehr einleuchtend im Nachhinein, wer an der Heilung von Menschen interessiert ist, bzw. wer an der Einhaltung der Grundrechte interessiert ist. Nur die Zukunft zeigt rückwirkend - wie ein Kippbild - die Wahrheit.

Somit ist auch über den Strafgerichtsbarkeitsweg heilen erlaubt, wenn es oben genannte Gründe einhält. Denn die Strafgerichte hatten eine eigene Rechtssprechung" eine eigene Sicht der Dinge entwickelt. Zitat BVerfG: " Anders als die vom Amtsgericht Frankfurt am Main allein in Bezug genommene verwaltungsgerichtliche Rechtsprechung habe die Strafgerichtsbarkeit eine eigene Dimension des Heilkundebegriffs entwickelt, "um der Scharlatanerie und der schwindelhaften Kurpfuscherei zu begegnen". Als Ausübung der Heilkunde gelte bereits ein Tun, das in den Behandelten den Eindruck erwecke, es ziele darauf ab, sie von Krankheit, Leiden und Körperschäden zu heilen oder ihnen Erleichterung zu verschaffen ("Eindruckstheorie").

Das Amtsgericht Frankfurt am Main verurteilte daraufhin den Beschwerdeführer am 16. Februar 2000 wegen Verstoßes gegn das Heilpraktikergesetz in 28 Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 250 Tagessätzen zu je 100 DM. Zwar habe der Beschwerdeführer die Patienten nach deren erfolgloser ärztlicher Behandlung jeweils darauf hingewiesen, dass er eine Heilung oder Linderung nicht versprechen könne, er habe sich gegenüber seinen Patienten aber immer dahingend geäußert, dass er versuchen wolle zu helfen. Zudem hätten von dem Handeln des Beschwerdeführers zumindest mittelbare Gefahren ausgehen können, durch das Aufsuchen des Beschwerdeführers habe für die Patienten die generelle Gefahr bestanden, medizinisch gebotene Hilfe verspätet oder gar nicht mehr in Anspruch zu nehmen.

Das Landgericht verwarf das Urteil am 4. Juli 2001 im Wesentlichen und betonte sehr klar: Jedenfalls aus Sicht der behandelten Personen habe kein Zweifel daran bestanden, dass eine Heilung oder Linderung der Leiden Ziel des Handauflegens gewesen sei. Das Landgericht führt einen abstrakten "objektiver Dritter bei vernünftiger Sicht der Dinge das Handeln des Beschwerdeführers von "seinem Eindruck" her zu werten gehabt habe. Im Übrigen sei auch der verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung Rechnung getragen worden.

Die dagegen eingelegte Revision wurden mit Urteil des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 27. September 2002 als unbegründet verworfen. - Erst 3 Jahre später mußte das BVerfG das Grundgesetz wieder zurechtrücken und sprach den Heiler frei, d.h. doch im Nachhinein, dass das Oberlandesgericht Ffm gegen das Grundgesetz von Deutschland verstoßen hat..uff...

Was lernen wir? Offentsichtlich legen Richter ihr Ergebnis fest und suchen sich die Argumente zusammen, wie sie dann passen.

So sagte auch schon der Richter am Amtsgericht in München, er werde den Bussgeldbescheid der Regierung von Oberbayern von Frau Stein am 5. Januar 2005 an die Synergetik Therapeutin als Rechtens ansehen, sie solle lieber vorher bezahlen. Sie hatte sich mit der Domain www.gesundheitsforschung.info verlinkt (und sogar einen Disclaimer geschaltet).

Wir haben gute Chancen, ein höchstrichterliche positive Bewertung zu bekommen: damit wird es dann endlich eine freien Informationsaustausch über Wirksamkeit von Therapiemethoden geben, denn bisher wurden nicht nur sehr viele alternative gesundheitsfördernden Bestrebungen mit dem Heilpraktikergesetz unterbunden, sondern auch noch die angebliche Werbung durch das Heilmittelwerbegesetz unmöglich gemacht.

Die Menschen sollen weiterhin dumm krank und abhängig bleiben? Wer verdient daran? Wer hat Interesse daran? Oder sind das alles Überzeugungstäter? Wie sagte Verwaltungsoberamtsrat Müller so treffend in einem Brief an mich vom 15. Juni 2004: Verwaltungen sind konservativ. Wir wünschen eine höchstrichterliche Rechtsprechung, damit in Folge andere neue Berufs bessere Start-Chancen haben und Arbeitsplätze bzw. gewünschte Dienstleistungen sich etablieren: Von der Verbesserung der Gesundheit des Einzelnen ganz zu schweigen, das scheint tatsächlich niemand zu interessieren.

Ein Beruf hat das Recht und die Pflicht sich darzustellem und über sich sachlich zu informieren. Auch da gibt es einige sehr klare BVerfG-Urteile. Hier klicken

Nach dem bewährten Motto: Klagen statt jammern fordern wir unsere Rechte als freier Beruf ein und begrüßen die Tatsache, dass der Berufsverband BVST die Interessen seiner Mitglieder (150) in diese Argumentation zu Gunsten der Synergetik Therapeutin Brigitte Molnar einbringt.

 

Bernd Joschko im Juni 2005