Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 13/97 26. Februar 1997

BVerfG: Erfolglose Verfassungsbeschwerden gegen "Tabak-Kennzeichnungsverordnung"

Der Zweite Senat des BVerfG hat die Verfassungsbeschwerden von fünf Herstellern von Tabakerzeugnissen gegen die Pflicht zum Aufdruck von Warnhinweisen im Hinblick auf Gesundheitsgefahren zurückgewiesen.

I. Die Beschwerdeführerinnen hatten sich gegen § 3 Abs. 1 Nrn. 1 und 2 der Verordnung über die Kennzeichnung von Tabakerzeugnissen und über Höchstmengen von Teer im Zigarettenrauch (TabKTHmV) gewendet. Die Vorschrift lautet wie folgt:

"§ 3 Besondere Warnhinweise
(1) Zigaretten und Tabak zum Selbstfertigen von Zigaretten dürfen in Packungen gewerbsmäßig nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie außer dem allgemeinen Warnhinweis nach § 2 Abs. 1 jeweils einen der folgenden besonderen Warnhinweise tragen:

1. "Rauchen verursacht Krebs"
2. "Rauchen verursacht Herz- und Gefäßkrankheiten"."

Nach § 3 TabKTHmV ist diesen Warnhinweisen folgendes voranzustellen: "Die EG-Gesundheitsminister:...". Die TabKTHmV stützt sich auf das deutsche Lebensmittelgesetz und setzt zugleich entsprechende Regelungen der EG-Richtlinie 89/622/EWG um.
Die Beschwerdeführerinnen haben mit ihren Verfassungsbeschwerden die Verletzung verschiedener Grundrechte gerügt.

II. Nach der Entscheidung des Zweiten Senats sind die Verfassungsbeschwerden unbegründet. Das Grundrecht der Meinungsäußerungsfreiheit (Art. 5 Abs. 1 GG) können die Beschwerdeführerinnen entgegen ihrer Auffassung nicht für sich in Anspruch nehmen. Denn die Pflicht zum Aufdruck der Warnhinweise auf den Zigarettenpackungen betrifft Produzenten und Händler von Tabakerzeugnissen beim Vertrieb ihrer Waren, nicht bei der Teilnahme am Prozeß der Meinungsäußerung und Meinungsverbreitung. Diese Pflicht dient der Verbreitung einer erkennbar fremden, den Beschwerdeführerinnen nicht zurechenbaren Meinung und erweckt nicht den Anschein, die Unternehmen würden diese Meinung von sich aus verbreiten.
Mithin ist die auf gesetzlicher Grundlage beruhende Verpflichtung zum Aufdruck der staatlichen Warnhinweise nicht am Maßstab der Meinungsfreiheit, sondern an dem der grundrechtlich geschützten Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) zu messen. Sie ist mit diesem Grundrecht vereinbar. Die Warnungen vor Gesundheitsgefahren gehören zu den legitimen Aufgaben des Staates und geben den derzeitigen medizinischen Erkenntnisstand zutreffend wieder. Außerdem sind die Hinweise zum Schutz der Volksgesundheit geeignet und erforderlich.
Auch der Eigentumsschutz (Art. 14 Abs. 1 GG), den die Beschwerdeführerinnen für Zeichen- und Ausstattungsrechte bei der Gestaltung ihrer Zigarettenpackungen in Anspruch nehmen können, ist nicht verletzt.

Da die angegriffenen Kennzeichnungspflichten mit den deutschen Grundrechten vereinbar sind, kommt es nicht darauf an, ob die mit der TabKTHmV umgesetzte EG-Richtlinie gültig und innerstaatlich wirksam ist, ob der Maßstab der deutschen Grundrechte anzuwenden ist und ob die Beschwerdeführerinnen Rechtsschutz beim Europäischen Gerichtshof finden könnten.
Beschluß vom 22. Januar 1997 - 2 BvR 1915/91 Karlsruhe, den 26. Februar 1997