Bundesverfassungsgericht
BVerfG /2002/3/4, Beschluss
vom 18. 2. 2002 - 1 BvR 1644/ 01
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In dem Verfahren über die Verfassungsbeschwerde des Tierarztes M …
- Bevollmächtigte: Rechtsanwälte Michael J. Zimmermann und Koll., ...Grevenbroich
unmittelbar gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Juli
2001 - 20 U 48/ 01 -, 2. mittelbar gegen §§ 6 und 14 der Berufsordnung
der Tierärztekammer Nordrhein vom 15. Januar 1997 (Deutsches Tierärzteblatt
3/ 1997, S. 284), zuletzt geändert durch die Satzung zur Änderung der
Berufsordnung vom 19. November 1999 (Deutsches Tierärzteblatt 1/ 2000, S.
79) hat die 2. Kammer des Ersten Senats des Bundesverfassungsgerichts durch die
Richterin Jaeger und die Richter Hömig, Bryde am 18. Februar 2002 einstimmig
beschlossen:
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§ 14 der Berufsordnung der Tierärztekammer Nordrhein vom 15. Januar
1997 (Deutsches Tierärzteblatt 3/ 1997, Seite 284), zuletzt geändert
durch die Satzung zur Änderung der Berufsordnung vom 19. November 1999 (Deutsches
Tierärzteblatt 1/ 2000, Seite 79), ist mit Artikel 12 Absatz 1 des Grundgesetzes
unvereinbar und nichtig.
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Das Urteil des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 17. Juli 2001 - 20 U 48/
01 - verletzt den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 12 Absatz
1 des Grundgesetzes. Es wird aufgehoben.
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Das Verfahren wird an das Oberlandesgericht Düsseldorf zu einer der Aufhebung
Rechnung tragenden Entscheidung über die Kosten des Rechtsstreits zurückverwiesen.
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Das Land Nordrhein-Westfalen hat dem Beschwerdeführer die ihm im Verfassungsbeschwerdeverfahren
entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
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Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 15. 000 (in
Worten: fünfzehntausend Euro) festgesetzt.
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Gründe: I. Der beschwerdeführende Tierarzt wendet sich gegen eine wettbewerbsrechtliche
Verurteilung wegen unzulässiger Werbung durch eine Zeitungsanzeige in der
Größe von 4, 5 x 2, 5 cm.
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1. Nach § 6 Abs. 1 der Berufsordnung der Tierärztekammer Nordrhein vom
15. Januar 1997 (Deutsches Tierärzteblatt 3/ 1997, S. 284), zuletzt geändert
durch die Satzung vom 19. November 1999 (Deutsches Tierärzteblatt 1/ 2000,
S. 79; im Folgenden: BO), wirbt der Tierarzt durch seine Leistung. Standeswidrige
Werbung, insbesondere Anpreisung für eine Tätigkeit als niedergelassener
Tierarzt, ist untersagt. Einzelheiten regelt § 14 BO:
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§ 14 BO. Anzeigen und Eintragungen. (1) Anzeigen sind nur zulässig zur
Bekanntgabe der Niederlassung (Praxiseröffnung und -verlegung), der Erteilung
einer Gebiets-, Teilgebiets- oder Zusatzbezeichnung, bei einer Änderung von
Sprechstundenzeiten oder der Telefonnummer, bei einer Anerkennung gemäß
Anlage 2 "Richtlinien für die an eine Tierärztliche Klinik zu stellenden
Anforderungen" und bei einer mehr als zweiwöchigen Unterbrechung der
Praxistätigkeit (z. B. wegen Urlaub oder Krankheit). (2) Anzeigen nach Abs.
1 dürfen außer der Angabe des Praxissitzes nur die in § 13 Abs.
3 genannten Angaben enthalten. Der sonstige Inhalt der Anzeigen ist auf die sachlich
unbedingt erforderlichen Mitteilungen zu beschränken. (3) Die Anzeigen dürfen
jeweils nur in lokalen Tageszeitungen und lokalen Wochenblättern zeitgleich
veröffentlicht werden. Die Benutzung anderer Druckwerke oder Medien ist unzulässig.
(4) Anzeigen zur Bekanntgabe der Niederlassung dürfen nur innerhalb eines
Zeitraumes von 4 Wochen zur Praxiseröffnung oder -verlegung und höchstens
viermal, sonstige Anzeigen je Anlaß höchstens zweimal veröffentlicht
werden. (5) Die Anzeigen dürfen höchstens zweispaltig sein und eine
maximale Höhe von 4 cm haben. (6) Eintragungen in Telefonbüchern und
Brachenfernsprechbüchern sind auch unter dem Buchstaben "T" (Tierärzte),
der Rubrik "Tierärzte" sowie in der "Ärztetafel"
nur niedergelassenen Tierärzten gestattet. (7) Die Absätze 1 - 6 gelten
entsprechend für Gemeinschaftspraxen und Tierärztliche Kliniken.
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2. Der Beschwerdeführer warb in der kostenlos alle 14 Tage an alle Haushalte
im Stadtbezirk W. verteilten Zeitschrift "Unser W." vom 5. April 2000
mit folgender Anzeige:
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Die Zentrale zur Bekämpfung des unlauteren Wettbewerbs e. V. sah darin einen
Verstoß gegen § 14 BO und forderte den Beschwerdeführer erfolglos
zur Abgabe einer Unterlassungserklärung sowie zur Zahlung der Abmahnkosten
in Höhe von 315, 65 DM auf.
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Das Landgericht wies die Klage ab. Es verneinte einen Wettbewerbsverstoß
des Beschwerdeführers nach § 1 des Gesetzes über den unlauteren
Wettbewerb (im Folgenden: UWG), weil die §§ 6 und 14 BO widersprüchlich
seien. Es sei nicht verständlich, wenn zwar eine standesgemäße
Werbung zulässig sei, eine angemessen gestaltete Anzeige in einer Anzeigezeitschrift
aber dennoch verboten wäre.
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Das Oberlandesgericht hat den Beschwerdeführer verurteilt, es zu "unterlassen,
im geschäftlichen Verkehr zu Wettbewerbszwecken in Zeitungen wie 'Unser W.'
ohne bestimmten Anlass Anzeigen zu schalten, insbesondere wie in der Ausgabe Nr.
135 dieser Zeitschrift vom 5. April 2000 auf Seite 10". Der Unterlassungsanspruch
folge aus § 1 UWG in Verbindung mit § 14 BO. Die in § 14 Abs. 1
BO genannten Ausnahmen seien vorliegend nicht gegeben. § 14 BO sei nicht
verfassungswidrig. Grundrechtsschutz verdiene nur die sachliche Informationswerbung,
nicht aber die Aufmerksamkeitswerbung in Anzeigen. Der Beschwerdeführer mache
nur auf sich aufmerksam, ein darüber hinausgehender Informationsgehalt sei
seiner Anzeige nicht zu entnehmen.
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3. Mit seiner Verfassungsbeschwerde wendet sich der Beschwerdeführer gegen
die Entscheidung des Oberlandesgerichts sowie mittelbar gegen die §§
6 und 14 BO. Er rügt die Verletzung seines Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1
GG. Eine Regelung in der Berufsordnung, die dezent gehaltene, kleine Einträge
mit sehr beschränktem Inhalt eines Tierarztes verbiete, lasse sich nicht
mehr auf ein Gemeinwohlinteresse zurückführen. Der Verbraucher sei an
einer sachlichen und wahrheitsgemäßen Information interessiert.
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4. Zu der Verfassungsbeschwerde haben Stellung genommen die Bundestierärztekammer,
der sich die Tierärztekammer Nordrhein angeschlossen hat, die Bundesärztekammer
und die Klägerin des Ausgangsverfahrens. Die Bundestierärztekammer und
die Klägerin des Ausgangsverfahrens halten die Verfassungsbeschwerde für
unbegründet. Aufmerksamkeitswerbung in Form der anlassfreien Anzeige sei
nach den Muster-Berufsordnungen der Bundestierärztekammer, Bundesärztekammer
und Bundeszahnärztekammer sowie den Berufsordnungen der entsprechenden Kammern
auf Länderebene einheitlich unzulässig. Diese Einschränkung der
Berufsausübungsfreiheit werde durch das Schutzgut der Volksgesundheit gerechtfertigt.
Sie sei geeignet, eine Verfälschung des tierärztlichen Berufsbildes
zu verhindern und der gesundheitspolitisch unerwünschten Kommerzialisierung
des tierärztlichen Berufs vorzubeugen.
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II. Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an, weil dies
zur Durchsetzung von in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechten angezeigt ist
(§ 93 a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Auch die weiteren Voraussetzungen des
§ 93 c Abs. 1 BVerfGG sind gegeben. Das angegriffene Urteil verletzt den
Beschwerdeführer in seiner Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG).
Die Vorschrift des § 14 Abs. 1 BO, auf die es sich stützt, ist mit diesem
Grundrecht unvereinbar und nichtig.
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1. Die Verfassungsbeschwerde wirft keine Fragen von grundsätzlicher verfassungsrechtlicher
Bedeutung auf (§ 93 a Abs. 2 Buchstabe a BVerfGG). Die maßgeblichen
verfassungsrechtlichen Fragen zum Werberecht der Angehörigen der freien Berufe
hat das Bundesverfassungsgericht bereits wiederholt entschieden (vgl. zum Werberecht
der Ärzte BVerfGE 33, 125 [169 ff.]; 71, 162; 71, 183; 85, 248). Das Werbeverbot
für Ärzte soll dem Schutz der Bevölkerung dienen, es soll das Vertrauen
der Patienten darauf erhalten, dass der Arzt nicht aus Gewinnstreben bestimmte
Untersuchungen vornimmt, Behandlungen vorsieht oder Medikamente verordnet (vgl.
BVerfGE 71, 162 [174]). Die ärztliche Berufsausübung soll sich nicht
an ökonomischen Erfolgskriterien, sondern an medizinischen Notwendigkeiten
orientieren. Das Werbeverbot beugt einer gesundheitspolitisch unerwünschten
Kommerzialisierung des Arztberufes vor. Den Angehörigen der freien Berufe
ist nicht jede, sondern lediglich die berufswidrige Werbung verboten (vgl. BVerfGE
71, 162 [174]; 85, 248 [257]). Berufswidrig ist Werbung, die keine interessengerechte
und sachangemessene Information darstellt (vgl. BVerfGE 82, 18 [28]; BVerfG, Beschluss
der 2. Kammer des Ersten Senats, NJW 2000, S. 2734). Dem Arzt ist neben der auf
seiner Leistung und seinem Ruf beruhenden Werbewirkung eine Reihe von Ankündigungen
mit werbendem Charakter unbenommen: Er darf rechtmäßig erworbene Titel
und Facharztbezeichnungen führen, seine Tätigkeit durch ein Praxisschild
und durch bestimmte Presseanzeigen sowie durch Aufnahme in Adressbücher und
sonstige amtliche Verzeichnisse nach außen kundtun (BVerfGE 71, 162 [174]).
Aus dem Werbeträger unmittelbar auf eine Gefährdung eines Gemeinwohlbelangs
wie der Gesundheit der Bevölkerung oder mittelbar auf einen Schwund des Vertrauens
der Öffentlichkeit in die berufliche Integrität des Arztes oder Tierarztes
zu schließen, ist schwerlich möglich, solange sich die Werbemittel
im Rahmen des Üblichen bewegen (vgl. BVerfGE 94, 372 [393]). Nur übertriebene
oder marktschreierische Werbung, die auf eine Vernachlässigung der Pflichten
hindeuten könnte, soll vermieden werden (vgl. BVerfGE 94, 372 [393]).
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2. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung des Grundrechts
des Beschwerdeführers aus Art. 12 Abs. 1 GG angezeigt (§ 93 a Abs. 2
Buchstabe b BVerfGG).
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a) Grundlage der angegriffenen Entscheidung ist § 1 UWG. Als unlauter beurteilt
das Oberlandesgericht das Verhalten des Beschwerdeführers, weil es gegen
die §§ 6 und 14 BO verstoße. Damit hat das Gericht zum einen den
inhaltlichen und verfassungsrechtlich erheblichen Widerspruch zwischen §
6 und § 14 BO nicht aufgelöst, zum anderen aber auch die von ihm zitierte
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht hinlänglich auf den vorliegenden
Fall übertragen.
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b) Werbeverbote sind nur verfassungskonform, wenn sie dahingehend ausgelegt werden
können, dass nur berufswidrige Werbung unzulässig ist; dies hat das
Bundesverfassungsgericht bereits 1985 entschieden (vgl. BVerfGE 71, 162 [174])
und 1992 wiederholt (vgl. BVerfGE 85, 248 [257]). Nicht berufswidrig sind interessengerechte
und sachangemessene Informationen (vgl. BVerfGE 82, 18 [28]).
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Diesen Anforderungen genügt lediglich § 6 BO. Die Kammerversammlung
der Tierärztekammer Nordrhein hat durch ihre Satzung zur Änderung der
Berufsordnung vom 12. April 1999 (Deutsches Tierärzteblatt 6/ 1999, S. 634)
§ 6 Abs. 1 BO geändert und in einer dem Grundrecht der Berufsfreiheit
gemäßen Weise festgelegt, dass nur standeswidrige Werbung untersagt
ist. Bei diesem Anlass hat es der Satzungsgeber indessen versäumt, §
14 BO an die durch § 6 BO geänderte - und verfassungsrechtlich gebotene
- Rechtslage anzupassen.
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Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Beschluss vom 22. Mai 1996 (BVerfGE
94, 372) ausgeführt, dass auch die Angehörigen der freien Berufe grundsätzlich
durch Zeitungsanzeigen werben dürfen, sofern diese nicht nach Form, Inhalt
oder Häufigkeit übertrieben wirken (vgl. BVerfG, a. a. O., S. 394, 396).
Eine Beschränkung ist nur dann mit Art. 12 Abs. 1 GG vereinbar, wenn dem
Schutz der Berufsfreiheit durch eine Würdigung aller maßgeblichen Umstände
angemessen Rechnung getragen wird. Format, Auflage und Leserkreis der Zeitung
können dabei ebenso bedeutsam sein wie ihr Charakter und ihre Aufmachung.
Diesen rechtlichen Gesichtspunkten trägt § 14 BO nicht Rechnung.
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§ 14 BO gestattet nur anlassbezogene Anzeigen, etwa zur Bekanntgabe der Niederlassung
(Praxiseröffnung und -verlegung), zur Änderung von Sprechstundenzeiten
oder zu urlaubsbedingten Schließungen. Solche Informationen der Kunden einer
Tierarztpraxis entsprechen einer selbstverständlichen Höflichkeit und
helfen, unnötige Verzögerungen bei der Behandlung kranker Tiere zu vermeiden.
Mit Werbung können sie nicht gleichgesetzt werden, auch wenn solche Bekanntmachungen
werbewirksam sind.
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Die Vorschrift schließt zudem bestimmte Medien vollkommen aus (§ 14
Abs. 3 BO), ohne dass erkennbar wäre, warum andere Medien oder regionale
Zeitungen verboten sein müssen. Tierarztpraxen können an Landes- oder
Kreisgrenzen gelegen sein und einen überregionalen Einzugsbereich haben.
Mit Gemeinwohlinteressen lässt sich auch nicht begründen, warum ein
Praxisinhaber seine Kunden nicht durch persönliche Schreiben oder über
den Rundfunk von einer Änderung seiner Praxiszeiten in Kenntnis setzen dürfte.
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Außerdem ist die Norm hinsichtlich der zulässigen Häufigkeit und
Größe der Anzeigen (vgl. § 14 Abs. 4 und 5 BO) so restriktiv,
dass auf den unaufmerksamen Tierhalter nur wenig Rücksicht genommen wird.
So darf eine Praxisschließung, die länger als zwei Wochen andauert,
nur zweimal angezeigt werden (vgl. § 14 Abs. 1 und 4 BO). Außerdem
erstreckt die Norm die Beschränkungen auch auf Tierärztliche Kliniken
(§ 14 Abs. 7 BO), für deren Werbeverhalten Besonderheiten gelten (vgl.
BVerfGE 71, 183 [194 ff.]; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats,
NJW 2000, S. 2734 [2735]; vgl. auch BGH, GRUR 1988, S. 841).
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Damit genügt die Norm insgesamt den verfassungsrechtlich gezogenen Grenzen
nicht. Sie schränkt die Tierärzte schon hinsichtlich dringend gebotener
Informationen in einer Weise ein, die es dem Tierhalter unnötig erschwert,
auch nur die jeweiligen Öffnungszeiten von Tierarztpraxen zu erfahren. Gemeinwohlbelange
können hierfür nicht angeführt werden.
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c) In der angegriffenen Entscheidung dient § 14 BO dem Gericht als Auslegungsregel
sowohl für den Begriff der standesgemäßen Werbung in § 6
BO als auch als Maßstab für unlauteren Wettbewerb.
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Auslegung und Anwendung einer einfachrechtlichen Norm können vom Bundesverfassungsgericht
- abgesehen von Verstößen gegen das Willkürverbot - nur darauf
überprüft werden, ob sie Auslegungsfehler enthalten, die auf einer grundsätzlich
unrichtigen Anschauung von der Bedeutung des betroffenen Grundrechts, insbesondere
vom Umfang seines Schutzbereichs, beruhen. Das ist der Fall, wenn die von den
Fachgerichten vorgenommene Auslegung der Normen die Tragweite des Grundrechts
nicht hinreichend berücksichtigt oder im Ergebnis zu einer unverhältnismäßigen
Beschränkung der grundrechtlichen Freiheit führt (vgl. BVerfGE 18, 85
[92 f., 96]; 85, 248 [257 f.]; 87, 287 [323]).
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So liegt es hier. Das angegriffene Urteil wird dem Maßstab des Art. 12 GG
auch insoweit nicht gerecht.
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Es ist nicht ersichtlich, wie die in die Abwägung eingestellten Gemeinwohlbelange
eine Beschränkung von Zeitungsanzeigen in solchem Ausmaß rechtfertigen
können, wenn den Berufsangehörigen gleichzeitig Werbung erlaubt ist.
Auch die Bundestierärztekammer nennt in ihrer Stellungnahme im Wesentlichen
nur solche Rechtfertigungsgründe, mit denen im Allgemeinen das Verbot berufswidriger
Werbung begründet wird, ohne näher aufzuzeigen, inwiefern im vorliegenden
Fall die kleinformatige Anzeige, die lediglich die Berufsbezeichnung des Beschwerdeführers,
sein Tätigkeitsfeld, die Adresse und die Öffnungszeiten seiner Praxis
sowie den Hinweis auf eine Röntgenstelle enthält, geeignet wäre,
die genannten Gemeinwohlbelange zu gefährden.
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Ausführungen dazu, warum eine nicht anlassbezogene Information über
eine Tierarztpraxis wie die streitgegenständliche generell als unsachlich
oder irreführend zu gelten hätte, fehlen. Es ist auch nicht nachvollziehbar,
dass das Rechtsgut der Gesundheit der Bevölkerung und der Tiere es rechtfertigen
soll, alle Zeitungsanzeigen, die nicht anlassbezogen sind, ohne Rücksicht
auf ihren Sinn und Zweck oder ihren Informationswert für Dritte generell
zu verbieten (ebenso Bahner, Das neue Werberecht für Ärzte, 2001, S.
86 f.). Denn an einer sachlich zutreffenden und nicht irreführenden Information
über eine Tierarztpraxis besteht ein Allgemeininteresse.
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Soweit im angegriffenen Urteil die standesgemäße Anzeigenwerbung des
§ 6 BO mit anlassbezogener Information verwechselt wird, hat das Gericht
die Reichweite von Art. 12 Abs. 1 GG verkannt und der bisherigen Rechtsprechung
des Bundesverfassungsgerichts nicht Rechnung getragen. Die Freiheit der Berufsausübung
schließt die Außendarstellung von selbständig Berufstätigen
ein, soweit sie auf die Förderung des beruflichen Erfolges gerichtet ist
(vgl. BVerfGE 85, 248 [256]). Berufliche Werbung bedarf keiner besonderen Anlässe.
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Auch in den eingeholten Stellungnahmen, die auf die besondere Verantwortung des
Tierarztes für die Gesundheit von Tier und Mensch - insbesondere im Hinblick
auf das Lebensmittelrecht - verweisen, werden insoweit Gemeinwohlbelange beschrieben,
die mit dem hier streitgegenständlichen Verbot in keiner Beziehung stehen.
Die Anzeige über die Öffnungszeiten einer Kleintierpraxis hat schwerlich
Auswirkungen auf das Vertrauen der Bevölkerung in die Kompetenz der Tierärzte,
Menschen vor den Gefahren zu schützen, die von Lebensmitteln tierischer Herkunft
ausgehen können. Ob für Großtierpraxen besondere Regelungen angezeigt
wären, bedarf hier keiner Prüfung, zumal auch insoweit nicht erkennbar
ist, dass der werbliche Hinweis auf die bloße Existenz einer Praxis, sofern
er sich nicht in einem Telefon- oder Adressbuch befindet, schon einen Vertrauensschwund
zur Folge haben könnte. Auch die Behauptung, es könne zwischen den unterschiedlichen
Tierärzten - den Großtier- und Kleintierpraktikern - nicht differenziert
werden, überzeugt nicht. Denn sie üben verschiedene Berufe mit unterschiedlichem
Bezug zur menschlichen Gesundheit aus. Nach den statistischen Untersuchungen über
die Tierärzteschaft in der Bundesrepublik Deutschland (Stand: 31. Dezember
2000) von Schöne und Ulrich (Deutsches Tierärzteblatt 6/ 2001, Beilage)
waren von insgesamt 10. 247 "praktizierenden Tierärzten" immerhin
4. 068 in einer Praxis für überwiegend Kleintiere tätig, also nahezu
40 vom Hundert. Demnach handelt es sich um eine erhebliche Gruppe, die sich von
den Großtierpraktikern abgrenzen lässt.
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3. Dem Urteil des Oberlandesgerichts lässt sich entnehmen, dass der Wortlaut
des § 14 BO nur schwer mit verfassungskonformer Auslegung dem Inhalt von
§ 6 BO angepasst werden kann. Gerade für das Verhalten im Wettbewerb
ist es aber erforderlich, dass die Berufsausübungsregelungen mit genügender
Klarheit für Rechtsunterworfene und Rechtsanwender das erlaubte Verhalten
von unlauterem Wettbewerb scheiden. § 14 BO ist daher als verfassungswidrig
aufzuheben.
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Das angegriffene Urteil des Oberlandesgerichts beruht auf dem dargelegten Verstoß
des § 14 Abs. 1 BO gegen Art. 12 Abs. 1 GG. Der Beschwerdeführer hat
nicht standeswidrig geworben. Das Urteil ist daher ebenfalls aufzuheben. Das Oberlandesgericht
wird über die Kosten des Rechtsstreits neu zu entscheiden haben.
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4. Die Entscheidung über die Erstattung der notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers
beruht auf § 34 a Abs. 2 BVerfGG, die Festsetzung des Gegenstandswertes auf
§ 113 Abs. 2 Satz 3 BRAGO.