Heiler ziehen vor Gericht
In der Presse und im Fernsehen erleben wir immer wieder Heiler, die außerhalb
einer Arztpraxis Menschen helfen, die von der Schulmedizin aufgegeben wurden.
Das hat in Deutschland Tradition, wurde aber eher im Hinterzimmer der Medizin
beachtet. Wenig bekannt ist, dass der Onkel unseres früheren Bundespräsidenten
Richard von Weizsäcker, der noch heute bekannte Psychosomatiker Viktor
von Weizsäcker im Heidelberg der 50er Jahre diese Phänomene klinisch
untersucht hat. Für einen erfolgreichen Heiler hatte dies schlimme Folgen.
Die Justiz nahm sich seiner an und verurteilte ihn wegen Verstoß gegen
das Heilpraktikergesetz. Und so ist es bis heute geblieben.
Wer die Heilkunde haupt- oder nebenberuflich ausübt, muss Arzt oder Heilpraktiker
sein. So will es das Heilpraktikergesetz (HPG). Das „Handauflegen“
eines Heilers sehen Gerichte so: Schon wer so auftritt, als würde er Heilkunde
ausüben, braucht eine Erlaubnis. Denn der hilfesuchende Mensch verlässt
sich sonst auf zweifelhafte Fähigkeiten und versäumt den rechtzeitigen
Besuch beim Arzt. Der bloße Eindruck, Heilkunde zu betreiben, führt
daher zur Pflicht, eine Zulassung beim Gesundheitsamt zu erwerben. sonst droht
Strafe und ein ausdrückliches Berufsverbot.
Den Gerichten ist es egal, ob die Heilung erfolgreich ist, ohne Nebenwirkungen
und ob sie wissenschaftlich anerkannt ist oder nicht. Erfolgsmeldungen helfen
also nichts. Warum machen dann die Heiler nicht einfach die Heilpraktikerprüfung?
Sie ist gar nicht so einfach, wenn man sieht dass 90 Prozent in der schriftlichen
Überprüfung durchfallen und – viel gravierender - weil die Prüfung
ihnen Wissen abverlangt, welches für ihren Beruf nicht notwendig ist. Welcher
Arzt würde sich eine Theologieprüfung gefallen lassen, welcher Priester
eine Medizinerprüfung?
Das Bundesverfassungsgericht hat längst entschieden, wer einen Beruf ausüben
will, muss sich nicht in Prüfungen schicken lassen, die etwas ganz anderes
abfragen. Aber Behörden und Gerichte sind unbeeindruckt, weil das höchste
Gericht eben dasselbe noch nicht am Beispiel eines Heilers entschieden hat.
Jetzt reicht es den Heilern. Sie wollen sich nicht länger verfolgen lassen,
sondern drehen den Spieß um. Sie sammeln Geld und finanzieren derzeit
einen Heiler, der vor Gericht gezogen ist. Er fordert eine Heilpraktikerzulassung
ohne die übliche medizinisch ausgerichtete Prüfung. Er hat dabei Rückendeckung
vom größten Heilerverband Deutschlands, dem Dachverband Geistiges
Heilen. Der Justitiar dieses Verbandes erklärt dazu: Wenn Gerichte das
Heilpraktikergesetz ansehen, weil ein Heiler mit einem Arzt verwechselt werden
könnte, dann muss es genügen, dass ein Heiler diesen Irrtum bei jedem
Hilfesuchenden aufklärt. Die Heilpraktikerprüfung kann sich getrost
darauf beschränken, ob ein Heiler diesen Irrtum verhindern kann. So wie
Heiler in das Gesetz hineingeführt wurden, kann man sie auch wieder herausführen.
Das Modell kennen wir aus dem Fernsehen: Fragen Sie ihren Arzt oder Apotheker!“
Seltsam ist, dass unsere Gesellschaft immer darauf reagiert, ob sich etwas rechnet.
Der Dachverband Geistiges Heilen hat den Politkern bereits vor fünf Jahren
vorgerechnet, dass durch geringeren Verbrauch an Medikamenten und kürzere
Liegezeiten im Krankenhaus jährlich neun Milliarden Euro einzusparen sind.
Diese Rechnung hat bis heute niemand widerlegt, aber auch nicht aufgegriffen,
um die seltsame Rechtslage um die Berufszulassung von Heilerngründlich
zu reformieren.