Landeshauptstadt München
Referat für Gesundheit und Umwelt

22.06.2004

Herrn Bernd Joschko und
Frau Rita Schreiber

Fragen zur Aufnahme von Tätigkeiten mit „Synergetik“, Selbstheilung“ bzw. „Innenweltreisen“ in München

Sehr geehrte Frau Schreiber,
sehr geehrter Herr Joschko, zu Ihrer erneuten Anfrage folgendes:

1.
Es ist nicht möglich, Ihnen über das bisher Dargestellte hinaus noch weiter im Einzelnen aufzuführen bzw. auseinander zu dividieren, warum bzw. ab wann die „Synergetiktherapie“ (S.) als Ausübung der Heilkunde gewertet werden muss. Wie schon gesagt, handelt es sich um eine Frage des Gesamtbildes. Die wichtigsten Komponenten der Einstufung nach HeilprG finden sie im Schreiben des RA Prof. Rxxx vom 15.06.2004 zum Antrag der Frau Molnar nach § 80 Abs. 5 VwGO: die Legaldefinition des § 1 Abs. 2 HeilprG, die Kriterien der nötigen ärztlichen Fachkenntnisse sowie der möglichen mittelbaren Gesundheitsgefährdung der Patienten. Alle diese Kriterien halten wir bei der S. in der bisher diskutierten Form für erfüllt (Herr RA Rxxx kozediert immerhin, dass diese Frage in einer summarischen Prüfung, d.h. ohne eingehende Prüfung im Hauptsacheverfahren, wohl nicht entschieden werden könne – es ist also auch seiner Ansicht nach nicht von vornherein klar, dass die S. keine Heilkunde i.S.d. HeilprG darstellt). Viele Hinweise finden Sie auch im schon oft zitierten Kommentar von Dünisch / Bachmann zum HeilprG. Eine katalogmäßige Übersicht dessen, was Heilkunde darstellt und was nicht, so dass man nur noch die von einem selbst betriebene Methode nachschauen müsste, existiert nicht. Angesichts der gerade heute zu findenden Flut neuer (z.B. „esoterischer“ oder sonstiger alternativer) Behandlungsmethoden wäre eine solche Übersicht am Tag ihres Erscheinens schon wieder veraltet, der Gesetzgeber hat deshalb aus gutem Grund hierauf verzichtet und die Einstufung nach HeilprG als Einzelfallentscheidungen – bei denen eine Vielzahl der bisher ergangenen gerichtlichen Entscheidungen und Auslegungen zum HeilprG zu beachten ist – den zuständigen Behörden überlassen.

Es liegt – auch im Lichte des Art. 12 GG – in der persönlichen Verantwortung eines jeden, sicherzustellen, dass er sich bei Ausübung eines jedweden Berufs nicht strafbar (hier: nach § 5 HeilprG) macht. Viele Personen, die in „Grauzonen“ zwischen Heilkunde und Lebensbewältigungshilfe arbeiten, lösen diese Problematik bzw. Strafbarkeitsgefahr, indem sie die Heilpraktikererlaubnis erwerben, je nach Tätigkeitsspektrum die „große“ oder die „kleine“, oder indem sie von vornherein jeden Zusammenhang mit der Nennung oder Darstellung von Krankheiten, Leider oder Körperschäden bzw. deren Heilung oder Linderung vermeiden. Hiermit wollen wir aber nicht gesagt haben, dass es sich bei der S. wie bisher verhandelt um eine „Grauzone“ handelt – wir sind nach wie vor der Meinung, dass sie recht eindeutig als eine Form der Heilkunde gewertet werden muss -, jedoch wäre dies bei einer abgewandelten Form der S. denkbar. Es bliebe auch Ihrer eigenen Fantasie überlassen, die S. – deren Erfinder Sie immerhin sind – so abzuwandeln, dass eine Erfüllung der erwähnten Kriterien eindeutig ausgeschlossen ist. Wir können Ihnen hier nicht weiter dienen, da unsere Aufgabe die Gefahrenabwehr und nicht die Berufsberatung ist.

2.
Nach herrschender Meinung, die sich aus dem Verhältnis zwischen Arzt und Arzthelfer(in) entwickelt hat, ist es in der Tat möglich, dass ein Nichtarzt / Nichtheilpraktiker die Heilkunde unter Aufsicht eines Arztes / Heilpraktikers (wenn es sich um Psychotherapie handelt, auch eines approb. Psychotherapeuten) ausübt. Ersterer wäre dabei Hilfsperson oder „Werkzeug“ des letzteren, der insbes. In strafrechtlicher Hinsicht die Verantwortung hat. Eine ständige physische Anwesenheit der Aufsichtsperson ist hier nicht erforderlich, es muss dem Arzt / HP aber, auch in der täglichen Praxis, möglich sein, die „Hilfsperson“ falls nötig zu stoppen oder sonst rechtzeitig einzugreifen, wenn er eine Gefährdung des Patienten vermutet. Hierzu ist es nötig, dass er zumindest über die aktuellen Behandlungsschritte auf dem Laufenden ist. Der Aufsichtsführende muss außerdem ausreichende Kenntnisse haben, das Tun der Hilfsperson auch fachlich zu beherrschen.

Es wäre also rechtlich vorstellbar und zulässig, dass ein von Ihnen in S. ausgebildeter Arzt, HP oder approbierter Psychotherapeut bei der Durchführung der S. durch Sie oder andere Nichtärzte / -HPs die Aufsicht führt. Auch wenn dieser die S. und deren Implikationen und Wirkungen nicht so eingehend beherrschen sollte wie Sie als deren Erfinder oder andere lange erfahrene Anwender, wäre doch für einen ausreichenden Patientenschutz im Sinne der herrschenden Rechtsprechung dadurch gesorgt, dass die Aufsichtsperson über nachgewiesene schulmedizinische Kenntnisse verfügt. Dass sich Patientenschutz in Deutschland nach wie vor hauptsächlich über ein Beherrschen der westlichen Schulmedizin definiert, daran können wir nichts ändern.

3.
Wir halten es nach wie vor nicht für nötig, dass Sie sich selbst um eine Untersagung von uns „bemühen“ – es wäre zur Klärung der Rechtslage völlig ausreichend, das Ergebnis in Sachen Molnar abzuwarten. Ein ernsthaftes wirtschaftliches Interesse an einer eigenen Tätigkeit in München können wir bei Ihnen nicht erkennen, vielmehr scheint es Ihnen primär um Durchsetzung Ihrer Rechtsansicht auch für unseren Zuständigkeitsbereich zu gehen.

Da wir wie schon bisher dargelegt nicht mit Sicherheit ausschließen können, dass eine Ausübung der S. durch Sie oder andere Nichtärzte/-HPs/-psychotherapeuten eine Gefährdung von Kunden bedeuten könnte, wäre es auch nicht vertretbar, Sie die S. erst einmal bis zu einer letztinstanzlichen gerichtlichen Klärung (die Jahre dauern kann) unter Verzicht auf Sofortvollzug und Zwangsmittel ausüben zu lassen. Dies war ja auch der Grund, warum wir bei Frau Molnar den Sofortvollzug angeordnet und 15.000 € Zwangsgeld angedroht hatten.
Wir hätten angesichts unserer Bemühungen, ihnen die Rechtslage aus unserer Sicht darzulegen und Ihnen bei Ihrem Informationsbedarf entgegenzukommen, wenig Verständnis dafür, wenn Sie es sozusagen mutwillig auf eine Untersagung ankommen ließen. Für den Fall, dass Sie ausdrücklich Angebot bzw. Ausübung der S. durch Sie (ohne Aufsichtsperson wie unter 2. beschrieben) in München ankündigen, müssten wir unbeschadet einer parallel hierzu möglichen Untersagungsanordnung Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft München wegen Verstoßes gegen § 5 HeilprG gegen Sie stellen.

Eine Drohung mit evtl. Schadensersatzklagen kann uns nicht beeindrucken, da wir mit solchen aufgrund der natur unserer Tätigkeit jederzeit zu rechnen haben. Eine strikte Vermeidung von Klagen würde eine Kompletteinstellung des uns zugewiesenen Gesetzesvollzugs bedeuten.

4.
Das OVG Lüneburg hat nach unserer Kenntnis bisher nur über die Aussetzung des Sofortvollzugs in einem der Goslarer Fälle entschieden. Dies bedeutet keinerlei Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache, sondern lediglich, dass das Gericht innerhalb der summarischen (vorwegnehmenden, stark verkürzten) Prüfung, wie sie bei Anträgen nach § 80 Abs. 5 VwGO vorzunehmen ist, nicht mit hinreichender Sicherheit sagen konnte, wie seine Entscheidung in der Hauptsache ausfallen würde. In diesen Fällen wird regelmäßig der Sofortvollzug aufgehoben. Unsere Ansicht, dass es sich um einen komplexen rechtlichen Sachverhalt handelt und es nicht schon von vornherein offensichtlich ist, dass die S. keine Heilkunde im Sinne des HeilprG darstellt, wird vom OVG Lüneburg mithin sogar geteilt.

Abschließend dürfen wir darauf hinweisen, dass wir uns vorbehalten, weitere Schreiben Ihrerseits gemäß Ziff. 4.1.3 der Allgemeinen Geschäftsanweisung der Landeshauptstadt München künftig nicht mehr zu beantworten, falls Sie damit – wie zuletzt – eine Bescheinigung unsererseits erreichen wollen, die S. jetzt in München erlaubnisfrei ausüben zu dürfen. Für eine solche Bescheinigung fehlt nämlich bis zur gerichtlichen Klärung jede Basis, da Sie unsere Auffassung mittlerweile hinlänglich kennen sollten.

I. A.


Müller
Verwaltungsoberamtsrat