An das Landgericht Ravensburg
In dem Strafverfahren gegen
Herrn Wxxxx Rxxxxx
Az.: 8 Ns 36 Js 6499/00
Stelle ich die Anträge,
1. das Verfahren gem. § 260 Abs. 3 StPO wegen des Fehlens der Prozessvoraussetzung
eines wirksamen Strafbefehlsantrags einzustellen,
2. hilfsweise, vor Beginn der Einlassung des Angeklagten zur Sache und vor Eintritt
in die Beweisaufnahme dem Angeklagten die unter 2. erbetenen sachlichen und
rechtlichen Hinweise zu erteilen.
Begründung:
Der dem vorliegenden Verfahren zu Grunde liegende Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft
Ravensburg genügt weder in seiner Um- bzw. Abgrenzungsfunktion (vgl. dazu
unter 1.) noch in seiner Informationsfunktion (vgl. dazu unter 2.) den von der
höchstrichterlichen Rechtsprechung aufgestellten Mindestanforderungen.
Im Einzelnen sei dazu ausgeführt:
1. Ungenügende Ab- bzw. Umgrenzungsfunktion (Antrag auf Verfahrenseinstellung)
Grundlage des Verfahrens bildet vorliegend ein Strafbefehlsantrag der Staatsanwaltschaft
Ravensburg. Wie sich aus § 409 StPO ergibt, muss ein Strafbefehlsantrag
inhaltlich die gleichen Angaben wie der Anklagesatz einer Anklageschrift (§
200 Abs. 1 StPO) enthalten. Insbesondere muss der Strafbefehlsantrag (genau
wie der Anklagesatz) die Bezeichnung der vorgeworfenen Tat enthalten, was selbst
bei schwer voneinander abgrenzbaren Serienstraftaten voraussetzt, dass die „Grundzüge
der Art und Weise der Tatbegehung“ mitgeteilt werden (so etwa BGHSt 40,
44, 46).
Daran mangelt es vorliegend vollständig, da dem Strafbefehlsantrag lediglich
zu entnehmen ist, dass dem Angeklagten vorgeworfen wird, eine
- „Tätigkeit unter Anwendung der „Synergetiktherapie“
entfaltet zu haben bzw.
- bei Veronika Heiß seine „Synergetiktherapie“ durchgeführt
zu haben bzw.
- „bei Heidrun Breitmeier-Steiner im Zuge von mindestens 5 Terminen tätig“
geworden zu sein (Bl. 377 d. A.)
Was konkret der Angeklagte mit den beiden benannten Zeuginnen gemacht haben
woll bzw. welche konkreten Tätigkeiten er
im Rahmen der „Synergetiktherapie“ durchführte, ist dem Strafbefehlsantrag
jedoch nicht einmal ansatzweise zu entnehmen. Dementsprechend
ist es dem Angeklagten auch nicht möglich, zu prüfen, inwieweit die
ihm vorgeworfenen Handlungen dem Heilpraktikergesetz unterfallen bzw. wie er
sich im Einzelnen gegen diesen Vorwurf verteidigen und ihn ausräumen kann.
Der vorliegende Strafbefehlsantrag stellt deshalb genauso wenig eine hinreichende
Verfahrensgrundlage dar, wie beispielsweise eine Anklage wegen Untreue (§
266 StGB), in der sich die Beschreibung der Tathandlung darauf beschränkt,
dass ein Angeklagter in einem bestimmten Zeitraum zum Nachteil eines Geschädigten
Geld veruntreut habe (ohne dass im Einzelnen dargelegt wird, worin die Untreuehandlung
besteht).
Nach all dem ist das Verfahren mangels eines
wirksamen Strafbefehlsantrags einzustellen.
2. Ungenügende Informationsfunktion (Antrag auf
sachliche und rechtliche Hinweise)
Für den Fall, dass das Gericht die Umgrenzungsfunktion des Strafbefehlsantrags
für gewahrt sieht, wird hilfsweise beantragt, dem Angeklagten folgende
sachliche bzw. rechtliche Hinweise zu erteilen, bevor er zur Sache vernommen
und bevor in die Beweisaufnahme eingetreten wird, um ihm eine sachgerechte Verteidigung
zu ermöglichen:
(1) Welche konkreten Handlungen soll der Angeklagte in Durchführung der
„Synergetiktherapie“ bei /an Veronika Heiß vorgenommen haben?
(2) Welche konkreten Handlungen soll der Angeklagte in Durchführung der
„Synergetiktherapie“ bei/an Heidrun Breitmeier-Steiner vorgenommen
haben?
(3) Da der Strafbefehlsantrag darüber hinaus ausführt, dass der Angeklagte
in seinen Praxisräumlichkeiten von mindestens 16 Personen aufgesucht wurde:
(a) Werden dem Angeklagten nur Handlungen bei/an Veronika Heiß und Heidrun
Breitmeier-Steiner oder auch an anderen Personen vorgeworfen?
(b) Wenn auch an anderen Personen: An welchen Personen?
(c) Wen auch an anderen Personen: Welche Handlungen?
Selbst wenn die vorliegenden Fragen beantwortet sind, ist dem Angeklagten eine
hinreichende Verteidigung nicht möglich, weil dann noch immer völlig
offen ist, warum die ihm vorgeworfenen Handlungen dem Heilpraktikergesetz unterfallen
sollen. Auch dies ist dem Strafbefehlsantrag nicht zu entnehmen.
Deshalb wird weiterhin um die Erteilung folgender Hinweise gebeten:
(4) Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung unterfallen § 1 Abs. 2
Heilpraktikergesetz nur solche Tätigkeiten, die nach allgemeiner Auffassung
ärztliche Fachkenntnisse erfordern und gesundheitliche Schäden verursachen
können (so etwa Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 27.05.2004, Az.:
8 ME 41/04 und 8 ME 42/04).
(a) Geht das Gericht vorliegend davon aus, dass die dem Angeklagten vorgeworfenen
konkreten Tätigkeiten ärztliche Fachkenntnisse erfordern?
(b) Wenn ja: Auf Grund welcher Tatsachen geht das Gericht davon aus?
(c) Geht das Gericht vorliegend davon aus, dass die dem Angeklagten vorgeworfenen
konkreten Tätigkeiten gesundheitliche Schäden verursachen können?
(d) Wenn ja: Auf Grund welcher Tatsachen geht das Gericht davon aus?
(5) Daneben soll § 1 Abs. 2 Heilpraktikergesetz auch solche Tätigkeiten
erfassen, die mittelbar dadurch Gesundheitsgefährdungen zur Folge haben
können, dass ein frühzeitiges Erkennen ernster Leiden, das ärztliches
Fachwissen voraussetzt, verzögert wird, sofern die Gefahr solcher Gefährdungen
nicht nur geringfügig ist. Eine solche Gefahr soll etwa dann bestehen,
wenn die in Rede stehende Heilbehandlung als eine ärztliche Berufsausübung
ersetzende Tätigkeit erscheint (so etwa Niedersächsisches OVG, Beschluss
vom 27.05.2004, Az.: 8 ME 41/04 und 8 ME 42/04).
(a) Geht das Gericht davon aus, dass vorliegend eine solche mittelbare Gefahr
bestand?
(b) Wenn ja: Auf Grund welcher Tatsachen geht das Gericht davon aus?
(c) Geht das Gericht davon aus, dass vorliegend die dem Angeklagten vorgeworfene
Tätigkeit als eine ärztliche Berufsausübung ersetzende Tätigkeit
erscheint?
(d) Wenn ja: Auf Grund welcher Tatsachen geht das Gericht davon aus?
(6) Soweit sich die von einer Tätigkeit ausgehenden Gesundheitsgefahren
nur im Versäumen ärztlicher Hilfe erschöpfen, ist nach dem BVerfG
lediglich sicherzustellen, dass ein solches Unterlassen nicht durch den Angeklagten
veranlasst oder gestärkt wurde (BVerfG 2 BvR 1802/02 v. 03.06.2004).
(a) Geht das Gericht davon aus, dass vorliegend die vom Angeklagten behandelten
Personen erforderliche ärztliche Hilfe versäumt haben oder zumindest
eine entsprechende Gefahr bestand?
(b) Wenn ja: Auf Grund welcher Tatsachen geht das Gericht davon aus?
(c) Wenn ja: Geht das Gericht davon aus, dass vorliegend der Angeklagte bei
den behandelten Personen die Versäumung ärztlicher Hilfe veranlasst
oder gestärkt hat?
(d) Wenn ja: Auf Grund welcher Tatsachen geht das Gericht davon aus?
RA Elbs
7. Juli 2006